Neue Coolness
Ecken und Kanten anstatt Rundungen, der Volvo 144 unterschied sich klar von seinem Vorgänger Volvo Amazon, als er am 17. August 1966 vorgestellt wurde. Nicht viel teurer, aber deutlich geräumiger und vor allem viel sicherer soll der neue Wagen werden, hatte Volvo Chef Gunnar Engellau seinen Ingenieuren im Jahr 1960 erklärt.
Etwas mehr als sechs Jahre später, am 17. August 1966, konnte Engellau dann das Ergebnis der sorgfältigen Entwicklung in Göteborg präsentieren. Gezeigt werden konnte die viertürige Variante des neuen Wagens namens 144. Schon zwei Tage später begann die Serienfertigung.
Im Jahr danach wurde dann auch eine sportliche, zweitürige Version nachgereicht. Sowohl der 142 als auch der 144 – die zweite Ziffer bezeichnet die Anzahl Zylinder, die dritte Ziffer die Anzahl Türen – verfügten über denselben Motor B18 mit einem Zenith-Stromberg-Vergaser für die 75 PS-Variante und zwei SU-Vergasern für die schnelle S-Variante mit 100 PS.
Das Design kam aus dem eigenen Land. Jan Wilsgaard, der vorher bereits den Amazon gezeichnet hatte, formte auch den Typ 140. Um die Sicherheitsanforderungen zu erfüllen, verfügte der neue Wagen bereits über Knautschzonen und gleichzeitig über einen integrierten Überrollschutz. Die Karosserie zeigte sich als überdurchschnittlich verwindungssteif. Die einmalige 2-3-Kreisbremse verhinderte einen Ausfall der Bremse genauso wie das Blockieren der Hinterräder. Die Lenksäule war zweiteilig ausgeführt, das Armaturenbrett sollte bei einem Aufprall möglichst wenig Verletzungen bei den Insassen verursachen und schon früh wurden Automatik-gurte und Kopfstützen serienmässig installiert. Selbst Warnlichter bei nicht montierten Gurten gehörten schon bald zum Sicherheitsstandard. Volvo wurde zur Sicherheits-Benchmark.
Das deutsche Magazin «hobby» verglich den Volvo 144 S mit dem 10 PS stärkeren Rover 2000 TC. Da waren natürlich auch die Sicherheitsgurte ein Thema, die 1966 weder selbstverständlich waren noch oft benutzt wurden. Entsprechend detailliert waren die Ausführungen: «Keine Autofirma der Welt hat sich im gleichen Masse so gründlich um die besten und dazu noch serienmässigen Sicherheitsgurte gekümmert! Der Dreipunktgurt des Volvo wird um den Körper gelegt und durchlaufend in je ein Schloss gesteckt, das sich zwischen den Vordersitzen befindet. Beim Aussteigen oder bei Gefahr zieht man nur an einem roten Hebel und ist vom Gurt befreit. Wir sind gewiss, dass man derart praktische Gurte gern anlegt, und das ist psychologisch genauso wichtig wie die Anbringung von Gurten überhaupt.»

Bunter Hund
Was heute eher schräg anmutet, war in den 1960er- und 70er-Jahren ganz normal: Interieurs in knalligen Farben.
Der Erste
1966 lief der erste Volvo 144 im schwedischen Torslanda vom Band.

Der Volvo 144 S war aber nicht nur sicher, sondern auch durchaus sportlich. Immerhin beschleunigte er in 13,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h und lief 175 km/h. Das konnte weder der BMW 2000, der Citroën DS 21 noch der Mercedes-Benz 230, aber auch der Rover 2000 TC nicht wesentlich besser. Und selbst ein Porsche 912 fuhr dem Volvo zu jener Zeit nicht wirklich davon.
Bereits Ende 1967 wurde die Baureihe 140 um einen Kombi ergänzt, den 145. Die Unterschiede begannen erst ab der C-Säule und sogar die hinteren Seitentüren wurden von der Limousine übernommen, was nicht unbedingt elegant, dafür aber effizient war. Natürlich war die Dachpartie in die Länge gezogen worden. Das Heck wies nun eine sehr steil stehende, grosse Tür auf, hinter der C-Säule sorgten je zwei Fenster für Licht und auch Luft im Innern, denn die hinteren Scheiben liessen sich öffnen.
Aussergewöhnlich war die vorgesehene Heckscheibenwischanlage, die ohne grosse Einbaukosten nachgerüstet werden konnte. Die Ladefläche im Kombi wies eine Fläche von maximal 185×133 cm auf, was bei 84 cm Höhe ein Ladevolumen von rund zwei Kubikmetern ergab. Und sogar für eine ausklappbare Sitzbank fanden die Volvo Ingenieure Platz. Diese machte den 145 zum Siebensitzer.
Billig waren die Volvo Modelle nicht. Im Jahr 1968 waren in der Schweiz für einen Volvo 142 rund 13’300 Franken zu bezahlen, als 145 S durften es auch 15’800 Franken sein. Das war etwa doppelt soviel, wie ein VW Käfer 1300 damals kostete. Für den Preis eines Volvo hätte man bei Opel sogar einen grossen Commodore mit Sechszylindermotor erhalten, bei BMW aber nur den kleineren 2002.
Grossstadtflair Mit seiner eleganten und zeitlosen Form passte der Volvo 144 perfekt in das urbane Umfeld.
Trotzdem griffen auch Buchhalter gern zum sicheren Schweden, denn die Autos galten als langlebig und zuverlässig. Dies bestätigte auch die Schweizer «Automobil Revue», die anlässlich eines ausführlichen Tests notierte: «Obwohl die Karosserie neu entworfen wurde, entbehrt sie modischer Akzente und wird deshalb viele Jahre akzeptiert werden; die originellen Ideen an diesem Wagen beziehen sich auf Sicherheit, die Fahrpraxis und die Dauerhaftigkeit.»
Mehrfach wurde die Baureihe überarbeitet, beispielsweise 1970 und 1973, um sie aktuell zu halten. Erst im Sommer 1974 wurde die Produktion nach 1’251’371 Volvo 142/144/145 gestoppt. Mittlerweile gehören die Modelle zu den gesuchtesten Youngtimern. Für einen gepflegten 144 S mit knapp 200’000 Kilometern muss man auf Gebrauchtwagenportalen über 25’000 Franken investieren – doppelt so viel wie vor mehr als 50 Jahren für den Neuwagen.